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Eine neue Form der Begegnung

Neue Medien bieten neue Möglichkeiten.

 

Eine Ortsbäuerin aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Passau, hatte die Idee, im Internet eine Diskussionsplattform nur für die Bäuerinnen einzurichten. Sie suchte Hilfe und wollte eine möglichst kostengünstige Variante.

 

Es meldete sich ein Herr, der seine Seite www.agrar.de zur Verfügung stellen wollte.
„Kaum macht eine Frau etwas für die Frauen, schon ist der erste Mann da!“ erzählt Frau Fisch heute augenzwinkernd. Damals musste sie erst überlegen, ob sie männliche Hilfe annehmen wird.

 

Heute, nach vielen Jahren erweist sich gerade die Zusammenarbeit mit Herrn Deitermann als wirkliche Stütze.Es gibt im Internet unter www.baeuerinnentreff.de einen öffentlichen, allen zugänglichen Teil mit der Homepage, mit dem Forum, in das sich jeder einloggen und mitdiskutieren kann und es gibt die geschützte Mailingliste nur für die Bäuerinnen. Dort meldet man sich mit dem Namen und der Adresse an.

 

Heute sind dort um die 250 Bäuerinnen registriert. Die meisten kommen aus Deutschland, von Bayern bis Friesland. Schweizer Bäuerinnen, Österreicherinnen, Südtirolerinnen, Heike aus Dänemark, Gisa aus Namibia und Konny aus Portugal mit ihrer riesengroßen Farm, schreiben sich regelmäßig.

 

So erfährt man, dass in Obervintschgau auf 1700m Seehöhe im Mai der Mist gekegelt wird, während man im Schwäbischen bereits den ersten Schnitt siliert. Die Friesen erzählen, warum früher die Seeleute einen goldenen Ohrring getragen haben. Die Sommerhitze dieses Jahres bringt in Portugal Feuersbrünste, die leider gelegt wurden. Wir erfahren die Hintergründe, noch bevor ein Fernsehsender die Nachrichten dazu sendet. Die Dürre in weiten Teilen Europas lässt eine neue Maissorte entstehen, den „MOK“ als Mais ohne Kolben, wird scherzend das Geheimnis gelüftet.

 

Die Bauernhöfe werden be-greifbar. Man erfährt, dass im Ausland nicht alles nur groß und noch größer ist, sondern dass es überall kleine Familienbetriebe gibt. Man räumt mit Vorurteilen auf, erklärt geduldig die Biovorgaben auf unseren Höfen.

 

Der Umgang mit Tieren bringt gute und böse Erfahrungen mit sich. Fragen werden gestellt und die Antworten kommen prompt und aus der Praxis. So wird vor einem neuen hochgelobten Stier gewarnt, er bringt übergroße Kälber und ist in Bayern für eine Serie an Schwergeburten und toten Muttertieren verantwortlich. Ein anderer Bulle hat schlagende Nachkommen, das bei den melkenden Bäuerinnen keine Liebe auslöst. Im Internet warnen sie die Kolleginnen davor.


Ein krankes Kalb löst eine Welle von Hilfe aus, ein Fütterungsfehler wird von einigen mitdiskutiert.Auf den Bauernhöfen ist Platz für die Jungen und für die alten Leute. Aber das Zusammenleben schafft oft schwierige Situationen.

 

Da meinen junge Frauen, dass sie nicht verstanden werden, dass sie vor einem Berg von Problemen stehen. Andere schreiben über ihre eigenen Erfahrungen und trösten. Dass Männer und Frauen eine andere Sprache haben und anders umgehen miteinander, das wird immer wieder erörtert.

 

Kinder bringen Leben ins Haus. Komische Situationen mit ihnen sind es wert, niedergeschrieben zu werden. Und Hilfe braucht man, wenn man nicht weiter weiß.

 

Aus Namibia erfährt man, wie wichtig die funktionierende Wasserstelle ist. Dass Brunnen gebohrt werden müssen. Ein Windrad läuft für die Wasserpumpe. Die Milch kann sehr gut und teuer verkauft werden kann. Man hört, dass man mit 10 Milchkühen sein Einkommen hat. Aber das Land ist dort so trocken, dass fast nur Schafe und Ziegen gehalten werden. Gisa erzählt, dass auch dort die Schafwolle nur Abfall ist, mit dem man die Löcher in den Klippen füllt. Sie schickt Bilder von ihren braunen Kühen mit den neugeborenen Kälbchen. Fast wie eine Tarnfarbe ist der Braunton. Sie schreibt, dass die Kinder mit sechs Jahren weg von daheim und in ein Internat müssen, weil das die einzige Möglichkeit ist, ihnen eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Natürlich muss das aus eigener Tasche bezahlt werden. Und dann streiten sich bei uns die Eltern und die Lehrer wegen läppischer Studiengebühren und Pensionskürzungen der Lehrer.

 

Vom Obsthof erfährt man, dass in der Erntezeit mit 34 Erntehelfern aus Polen gearbeitet wird. Man lässt sich einen Gurkenflieger erklären und hört sich die Rezepte einer Großküche an.Ein Situationsbericht kommt direkt aus der Ukraine. Eine junge Teilnehmerin verbringt gerade ihr Praktikum dort und arbeitet für eine Diplomarbeit.

 

Der Reisebericht einer norddeutschen Bäuerin nach Amerika zu den wirklich großen und gigantischen Betrieben löst Staunen aus. Sie erzählt von Farmen mit 700 und bis zu 4000 Kühen. Von Melkleistungen je Melker bis zu 100 Rindern.Aus der Schweiz kommt die Meldung, dass Mistplätze nicht nur befestigt, sondern auch überdacht sein müssen.

 

Fragen zu den Milchquoten werden gestellt, man vergleicht die Preise. Unterschiedlich sind die Erlöse für die Kälber. Man hört von niedrigsten Preisen um die 50-100 Euro je Tier. Und staunt, was in Österreich für ein Kälbchen bezahlt wird.

 

Spargel wird angeboten und Stroh. Kaffeemaschinen oder Plastikgeschirr wird verkauft, Ferienwohnungen nachgefragt oder um Tipps bei homöopathischen Behandlungen gebeten. Vom Sinn und Unsinn einzelner EU-Vorschriften wird diskutiert.Ob eine Lehrfahrt geplant wird, ob ein Urlaub ins Auge gefasst wird, man fragt an und einige Antworten kommen zurück. So werden Quartiere gesucht, Eintrittskarten organisiert, Verkehrsverbindungen mitgeteilt, Tipps und Tricks weitergegeben.

 

Und ein reger Besuch von Frau zu Frau, von Nord nach Süd und Ost nach West hat sich inzwischen angebahnt. Die Fotos dazu werden wieder für alle ins Internet gestellt.Man kann auf eine Sendung im Fernsehen aufmerksam gemacht werden. Oder ein umstrittener Artikel in einer Zeitung wird veröffentlicht und somit löst man eine Welle von Leserbriefen aus.

 

Manche Themen regen zum Nachdenken an, andere lösen Spannung aus. Die Frauen können auch albern sein und ihre Späße verschicken.Sicher ist auf alle Fälle, dass Bäuerin-Sein verbindet - über Länder hinweg. Grenzen haben keine Bedeutung mehr und wenn man sich plötzlich trifft, ist es, als würde man sich schon viele Jahre kennen.

 

Steiner Anna